Warum ist Mathe so schwer? Figur denkt nach.

7 Gründe, warum Mathe so frustrierend sein kann

Mathe ist mit Abstand das gefragteste Nachhilfefach. Hier erkläre ich, warum so viele Schüler mit Schwierigkeiten in Mathematik kämpfen und warum das Fach so frustrierend sein kann.

Grund 1: Das brutale Feedback

Wer Matheaufgaben löst, erhält meist ziemlich brutales Feedback. Gilt es, einen Aufsatz zu schreiben oder ein Bild zu malen, ist das Ergebnis vielleicht nicht supertoll, selten jedoch komplett daneben. Beim Ergebnis einer Matheaufgabe gibt es oft nur richtig oder falsch.

Zwei Figuren diskutieren das Ergebnis einer Mathe-Aufgabe.

Die Rückmeldung RICHTIG wird zum Erfolgserlebnis, die Rückmeldung FALSCH fühlt sich an wie ”bööp, Daumen runter, du hast versagt”.

Das Risiko, dass man irgendwo etwas missverstanden hat und dass beim Lösen einer längeren Aufgabe etwas schiefgeht, ist recht hoch. Und wer immer wieder den Daumen nach unten erhält, gibt irgendwann frustriert auf.

Grund 2: Wissenslücken rächen sich stark

In der Mathematik bauen die einzelnen Themen aufeinander auf. Wer wichtige Grundlagen nicht kann, hat danach kaum eine Chance. Um Gleichungen zu lösen, muss man nicht nur verstehen, wie man Gleichungen im Prinzip löst. Man muss außerdem mit Klammern und  negativen Zahlen umgehen können und die ”Vorfahrtsregeln” der Rechenzeichen kennen. Es gilt also, immer am Ball zu bleiben.

Sowohl über lange Zeiträume hinweg als auch innerhalb einer Schulstunde. Fünf Minuten aus dem Fenster geträumt oder heimlich aufs Handy geschaut und schon hat man wieder den Anschluss verpasst. Gleichzeitig erhöht sich mit jedem Misserfolg das Risiko, dass man sich lieber anderweitig beschäftigt, als aufzupassen.

Grund 3: Wer Mathe kann, gilt als intelligent. Das erhöht den Druck.

Mathe ist ein Hauptfach und gilt als wichtig und schwierig. Wer Mathe kann, gilt als intelligent. Wer Mathe nicht kann, gilt im falschen Umkehrschluss als weniger intelligent.

Probleme in Mathematik werden von Eltern daher oft ernster genommen als Probleme in anderen Fächern. Sie machen sich Sorgen um die schulische und berufliche Zukunft ihres Kindes. Damit steigen der Druck und die Nervosität. Dass manche Eltern ihr eigenes Mathe-Trauma unbewusst an die Kinder weitergeben, macht die Sache nicht besser.

Grund 4: Viele Regeln und Fachausdrücke

In der Mathematik muss man gewisse Regeln beachten, um keinen Schiffbruch zu erleiden. Wer die Zusammenhänge versteht, kann sich die Regeln leichter merken. Oft werden Vorgehensweisen jedoch auswendig gelernt, statt wirklich verstanden. Dann scheint die Zahl der zu befolgenden Regeln endlos und man hat ständig Angst, etwas falsch zu machen.

Dazu kommt noch, dass bestimmte Fachausdrücke und eine formale Schreibweise verwendet werden. Für Eingeweihte sind die mathematischen Aussagen damit klar und unmissverständlich formuliert. Uneingeweihte verstehen nur Bahnhof.

Grund 5: Rechenrezepte statt echtem Verständnis und Problemlösen

Mathematik ist eine Kombination aus Rechentechnik, echtem Verständnis und Kreativität. Erst wenn all dies zusammenkommt, kann man schwierige Aufgaben erfolgreich lösen und dabei Freude empfinden.

Es funktioniert ganz ähnlich wie im Sport. Ein guter Fußballer muss …

  • die grundlegenden Techniken sicher beherrschen
  • den Aufbau des Spiels und die Zusammenhänge verstehen
  • in kniffligen Situationen Ideen für gute Spielzüge haben

Erst dann macht das Spiel richtig Spaß.

Für Standardaufgaben wie Prozentrechnen reicht oft die Rechentechnik. Für die Lösung neuartiger oder schwieriger Aufgaben (egal ob in der Schule oder im Leben) braucht man zusätzlich echtes Verständnis und Kreativität.

Dieses Problemlösen ist der eigentlich interessante und faszinierende Aspekt der Mathematik. Problemlösefähigkeiten sind in einer Welt, die sich rasch verändert, außerdem wichtiger denn je.

Warum wird Problemlösen dann nicht mehr unterrichtet?

Die Antwort ist so einfach wie tragisch: Rechentechnik und Standardaufgaben bilden die Grundlage. Sie MÜSSEN unterrichtet und geübt werden. Und für mehr reicht dann oft weder die Zeit noch die Energie.

Tieferes Verständnis, Problemlösen und Kreativität erfordern nämlich:

  • Zeit, Dinge auszuprobieren, Fehler zu machen und wieder von vorn anzufangen
  • Zeit, auf alle Ideen der Kinder einzugehen und sich in ihre jeweilige Denkweise hineinzuversetzen
  • Zeit, alle Kinder in ihrem eigenen Tempo arbeiten und Zusammenhänge selbst entdecken zu lassen
  • Zeit, Feedback zu individuellen Vorgehensweisen zu geben (Standardaufgaben sind viel einfacher zu bewerten)

„Wir müssen mit dem Buch durchkommen!“

Soll ein Lehrer 25 Kindern gleichzeitig und unter Zeitdruck den Stoff des Mathematik-Lehrplans beibringen, läuft es leider oft darauf hinaus, dass bestimmte Aufgabentypen geübt und auswendig gelernt werden. Bei neuartigen oder schwierigeren Aufgaben sind viele Schüler dann hilflos.

Grund 6: Falsche Vorstellungen über den Zusammanhang von Begabung und Erfolg

Die Vorstellung, dass manche Menschen Mathe einfach „können“ und andere halt nicht, ist leider weit verbreitet. Sie führt zu einem verhängnisvollen Umgang mit Fehlern.

(Wie tragisch sich diese Sichtweise auch auf die Unterrichtsgestaltung der Lehrer:innen auswirkt, erkläre ich in diesem Beitrag.)

Nach ein paar Misserfolgen glaubt man zu den „Unbegabten“ zu gehören und gibt sich selbst keine echte Chance mehr. Der Gedanke „das kann ich eh nicht“ führt zur Denkblockade und weiteren Misserfolgen. Damit erhält man dann scheinbar die Bestätigung dafür, dass man wirklich zu den Unbegabten gehört … Man gibt frustriert auf.

Natürlich haben verschiedene Menschen ein unterschiedlich starkes Interesse an Mathematik. Und denjenigen, die von Haus aus eher abstrakt denken, fällt das Fach etwas leichter.

Viele Schwierigkeiten liegen jedoch nicht an „Unbegabung“, sondern einfach daran, dass man bestimmte Dinge nicht gelernt, falsch gelernt oder missverstanden hat und sich selbst nichts mehr zutraut. Mit der richtigen Hilfe und dem richtigen Training kommt man dann sehr, sehr weit.

Grund 7: Das Goldlöckchen-Prinzip

Wieder ein Beispiel aus dem Fußball. Stell dir vor, Susi, Fritz und Hans sollen auf ein Tor schießen. Susi steht einen Meter vor dem Tor, ohne Torwart. Fritz steht 80 Meter vor dem Tor, mit Torwart. Hans hat aus drei Metern Entfernung getroffen, nun steht er fünf Meter vor dem Tor (mit Torwart).

Für welches Kind ist diese Aufgabe interessant?

Susi

Kind steht dicht vor Fußballtor

Fritz

Kind steht sehr weit vor Fußballtor.

Hans

Kind steht in guter Entfernung zum Fußballtor.

Stell dir nun vor, die Kinder erhalten solche Aufgaben jeden Tag. Wie werden sie reagieren?

Das Goldlöckchen-Prinzip besagt:

Eine Aufgabe ist dann für uns interessant, wenn sie uns weder unter- noch überfordert. Idealerweise stellt sie eine kleine Herausforderung dar, die mit etwas Anstrengung jedoch schaffbar ist.

Unser Gehirn sucht Herausforderungen und jede gemeisterte Aufgabe erfüllt uns mit Stolz und lässt uns dranbleiben.

Eine chronische Über- oder Unterforderung in wichtigen Lebensbereichen kann dagegen eine so starke Frustration auslösen, dass sie sogar krank macht.

Auch in der Mathematik sind Aufgaben dann interessant, wenn sie genau den richtigen Schwierigkeitsgrad bieten. Nur dann entwickeln sich die Schüler mathematisch weiter.

Bei großen Klassen mit einer großen Streubreite der Schülerfähigkeiten ist es für Lehrer nahezu unmöglich, alle Schüler auf genau ihrem Niveau anzusprechen. Einigen wird es immer zu schwierig und anderen zu einfach sein. Ideal wäre Mathematikunterricht in kleinen Gruppen oder in manchen Fällen Einzelunterricht.

Fazit:

Für Frust im Mathematikunterricht gibt es also jede Menge Gründe. Man ist fast erstaunt, dass er überhaupt gelingen kann.

Idealerweise braucht es für guten Mathe-Unterricht:

  • kleine Klassen
  • viel Zeit und viel Geduld
  • genug Grundlagentraining aber auch Herausforderungen
  • den richtigen Umgang mit Fehlern und die richtige Einstellung zu Intelligenz und Lernfähigkeit – auf Seiten der Jugendlichen, der Eltern und der Lehrerschaft!